Dieser Artikel ist sehr umfangreich. Zur besseren Orientierung hier eine Übersicht der einzelnen Abschnitte:

  1. Was sind Dark Patterns

  2. Dark Patterns im Internet

  3. Dark Patterns in Spielen

  4. Schutzmaßnahmen gegen Dark Patterns

  5. Rechtliches zu Dark Patterns

Was sind Dark Patterns?

Dark Patterns (zu Deutsch: Dunkle Muster) sind, polemisch überspitzt, so etwas wie die Dunkle Seite des Designs. Sie finden sich insbesondere auf Websites, in Spielen oder auch in Apps und sollen Benutzer:innen durch manipulative Gestaltungselemente (unbewusst) dazu bringen, Geld, Zeit oder auch persönliche Daten an den Betreiber zu "verlieren". Im Englischen fällt in diesem Zusammenhang auch oft der Begriff des "Nudging". Auf Deutsch lässt er sich damit umschreiben, dass man gezielt "zu etwas bewegt wird".

Der Begriff ist zurückzuführen auf den User Experience Consultant Dr. Harry Brignull, der bereits seit ca. 2010 solcherlei Muster auf Websites verfolgt und mit seinem Team viele Informationen zu diesem Thema auf der englischsprachigen Website Deceptive Patterns zur Verfügung stellt.

In den letzten Jahren hat die Diskussion um diese Designtricks, glücklicherweise, vehement zugenommen. Diese zweifelhaften Praktiken werden sowohl ethisch als auch rechtlich kritischer betrachtet. So hat sich beispielsweise auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag bereits im Jahr 2019 der Thematik angenommen:

Das Thema hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz, da die Nutzung des Internets im Zeitalter der Digitalisierung zur elementaren Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe geworden ist. […] Viele Internetnutzende sind insbesondere auch auf eine intuitive und leicht verständliche Nutzbarkeit der angebotenen internetbasierten Dienstleistungen angewiesen. […] Insbesondere unerfahrene Jugendliche, ältere Menschen oder bildungsferne Gruppen sind von dieser Art der Manipulation besonders betroffen.

Bogenstahl 2019: S.4

Ebenso sollen verschiedene Studien dazu beitragen, automatisierte Gegenmaßnahmen zu entwickeln, welche die Verbraucher schützen. Eine sehr aktuelle Studie aus dem September 2023 stammt von Schäfer et. al (2023), auf welche ich später noch eingehen werde.

Zudem benötigt es auch eine Anwenderkompetenz seitens der Benutzer:innen. Dieser Artikel soll im Folgenden ein kleines Stück dazu beitragen, Dark Patterns souveräner und kritischer begegnen zu können.

Dark Patterns im Internet

Gutes Webdesign zeichnet sich darin aus, die Besucher:innen einer Website intuitiv und unkompliziert zu den von ihnen gewünschten Inhalte zu führen. Die Interessen der Besucher:innen stehen im Vordergrund. Gestaltung der Elemente, Komposition, Farbwahl etc. unterstützen dabei, eine gute Benutzererfahrung zu haben. Dabei wird auch auf barrierearme Umsetzungen geachtet, bzw. ist sogar eine verpflichtende Voraussetzung (z.B. bei behördlichen Seiten).

Dark Patterns konterkarieren diesen Ansatz, indem sie mittels bewusst  manipulativer Gestaltungselemente die Benutzer:innen dazu bringen, Dinge zu tun, die stattdessen im Interesse des Unternehmens hinter der Website stehen. Zumeist sind das monetäre Interessen oder das Sammeln privater Daten.

Abb. 1

Beispiel Cookie-Banner

Oben: Das Akzeptieren aller Cookies wird mit Farbe und einer riesigen Schaltfläche prominent dargestellt und fordert zum Anklicken auf. Weitere Einstellungen oder das Fortfahren ohne Einwilligung sind deutlich unterrepräsentiert und aufgrund der kleinen Klickfläche erschwert anzuwählen. Im unteren Beispiel hingegen sind alle Optionen gleichwertig dargestellt und lassen den Benutzer:innen die Wahl.

Screenshots mit Buttons zum akzeptieren von Buttons.

In einer weltweit angelegten Internetrecherche des ICPEN (International Consumer Protection and Enforcement Network) wurde Anfang Juli 2024 festgestellt, dass auf über 75% der getesteten Handels-Websites mindestens ein manipulatives Muster eingesetzt wurde, auf 66,8% sogar zwei oder mehr davon.2 Es handelt sich also um keine Randerscheinung, sondern um eine massenhafte Beeinflussung der Verbraucher.

Das es den Behörden ernst wird, zeigt ein Beispiel von Januar 2022: Frankreichs Datenschutzbehörde verordnete Facebook zu einer Strafzahlung von 60 Millionen Euro. Der Grund: Die Cookie-Banner auf der Website des Social-Media-Kanals machten es den Besuchern zwar leicht, Cookies zu akzeptieren, das Ablehnen hingegen wurde bewusst komplizierter gestaltet. Die französische Behörde sah hier eine Verletzung der Privatsphäre. Aus dem selben Grund wurden auch zwei Tochterunternehmen von Google mit einer Strafe von zusammen 150 Millionen Euro belegt. Keine kleine Summen, die neben der Anpassung rechtlicher Grundlagen.

Beispiele für Dark Patterns im Web

Im Folgenden eine Übersicht einiger gängiger Patterns. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt aber einen guten Einblick in die Vielfalt potentieller Tricks einiger Websitebetreiber.

Irreführende Formulierungen (Trick Wording)

Anstatt klar zu formulieren, was mit dem Setzen eines Häkchens oder dem Drücken eines Buttons bestätigt wird, werden trickreiche Formulierungen verwendet, die den Besucher dazu bringen, genau das Gegenteil zu bestätigen. Beispiele:

Abb. 2

Beispiel Email-Marketing

Auf der rechten Seite eine knappe und präzise Aussage. Auf der linken Seite wird bewusst mit komplizierten Schachtelsätzen gearbeitet. Zudem muss man, eher ungewohnt, die Checkbox markieren, um KEINE Angebote zu erhalten.

Montage zweier Newsletteranmeldungen mit Eingabefeldern für Email, Passwort, Checkbox und Bestätigungs-Button.

Falsche Dringlichkeit (Fake Urgency)

Dieses Pattern kennt bestimmt jeder: Ein Countdown preist eine knappe Restzeit an, innerhalb der man ein Produkt zu einem besonders günstigen Preis erwerben kann. Durch den zeitlichen Druck soll zu einer vorschnellen Entscheidung gedrängt werden. Alternativ zur Zeit (oder ergänzend) wird auch gerne eine knappe Verfügbarkeit angezeigt, gerne auch in Kombination mit dem Hinweis "befindet sich im Warenkorb von x anderen Besuchern".

Abb. 3

Beispiel Counter

Mit einem tickenden Counter und einer mahnenden Überschrift wird häufig künstlicher Druck ausgeübt, um die Besucher:innen zu schnellem und unüberlegtem Handeln aufzufordern.

Screenshot eines Counters, der eine Restzeit von 59 Minuten und 2 Sekunden zeigt.

Visuelle Interferenz (Visual Interference)

Die Gestaltung von (interaktiven) Elementen ist bewusst so angelegt, dass die für den Website-Betreiber vorteilhafteren Optionen markanter und auffälliger gestaltet sind. Nicht selten sind die, aus Besuchersicht, gewünschten Optionen zudem weniger zugänglich gestaltet, beispielsweise in Form winziger Textlinks, anstatt großer Buttons oder kleiner und kontrastarmer Schrift.

Abb. 4

Beispiel Reiseangebot

Welches Angebot darf es sein? Premium oder Premium+? Die kostengünstigeren Varianten verstecken sich hinter dem sehr unscheinbaren Text am unteren Rand der Abbildung.

Photoshop-Montage. Bild einer Meeresbucht. Daneben ein Angebotstext und zwei große gelbe Buttons.

Lockvogel-Angebote (Bait and Switch)

Ein Produkt wird auf der Homepage beispielsweise besonders günstig beworben. Klickt man auf das Angebot, ist es auf der Detailseite jedoch nicht mehr verfügbar, oder nur in einer anderen, teureren Variante. Das Interesse ist dennoch geweckt und manch eine Benutzer:in schlägt dennoch zu.

Eine andere Variante findet sich häufig auf Vergleichsportalen: Ein Produkt wird als verfügbar angezeigt, auf der Händlerseite dann jedoch als ausverkauft gelistet. Dennoch hat es ein potentieller Kunde auf die Website geschafft.

Ein prominentes Beispiel aus dem Bereich irreführender Interface-Gestaltung lieferte auch Microsoft aus dem Jahr 2016. In einem Hinweisfeld zum Update auf Windows 10 löste das kleine rote Kreuz in der rechten oberen Ecke, das man in der Regel zum Schließen von Anwendungen und Fenstern kennt, stattdessen den Upgrade-Prozess aus.

Schuldzuweisung (Confirmshaming)

Der Grundgedanke dieses Patterns ist es, den Besucher in Verlegenheit zu bringen, etwas abzulehnen. Anstatt eine Wahl neutral mit einem Ja bzw. Nein zu ermöglichen, wird die für den Seitenbetreiber schlechtere Option beispielsweise als moralisch verwerflich oder als großer Nachteil für den Benutzer umschrieben.

Abb. 5

Beispiel Rabatt

Was kann an Geld sparen schon verkehrt sein? Wer jedoch nicht seine Email-Adresse preisgeben möchte, wird indirekt als dekadent dargestellt: Geld spielt keine Rolle. Wer will sich schon gerne so positionieren?

Rabattangebot. Eingabefeld für eine Email und ein orangefarbener Button.

In den Warenkorb schmuggeln (Sneak into the Basket)

Auch dieses Muster dürften viele bereits einmal erlebt haben: In einem Onlineshop legt man den Wunschartikel in den Warenkorb. In diesem überfliegt man rasch die Anzahl und springt zügig zum prominenten "Jetzt Bezahlen" Button. Übersehen aber mitbezahlt wird dann aber z.B. eine erweiterte Garantie, ein Spezial-Service, ein Promo-Produkt zum einmaligen Schnäppchenpreis, die automatisiert mit in den Warenkorb gelegt wird und manuell wieder gelöscht werden müsste.

Abb. 6

Beispiel Ticketanbieter

Nach der Auswahl des Standardtickets zu 49 Pfund, packt dieser Anbieter ungefragt sowohl eine Wohltätigkeitsspende in den Warenkorb, als auch ein Sanierungsabgabe und erhöhen den Gesamtpreis ungewollt um ca. 10%.

Screenshot des Warenkorbs einer Website mit Preisangaben und Checkout-Button.

Schwer zu kündigen (Roach Motel)

Dieses sehr beliebte Vorgehen macht es den Benutzern ausgesprochen einfach, sich für einen Dienst, ein sopziales Netzwerk, etc. anzumelden. Mit zwei, drei Klicks ist man Teil der Plattform. Der andere Weg hinaus wird dann jedoch sehr kompliziert, untransparent oder aufwändig gestaltet. Nicht selten wird hier mit dem Effekt der "Click Fatigue" gespielt. Der Gedanke dahinter: Je häufiger ein Benutzer klicken und Fragen zur Kündigung eines Dienstes oder einer Mitgliedschaft beantworten muss, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er das Prozedere genervt abbricht.

Ein Beispiel hierfür war Audible: Anstatt die gewünschte Kündigung einmalig bestätigen zu lassen (sogenanntes "Double-Opt Out") wurden vielfach Vorschläge gemacht, doch Abonnent zu bleiben. Erst wurden alle Vorteile nochmals präsentiert. Anschließend wurde vorgeschlagen, nur zu pausieren. Anschließend wurde angeboten, ein vergünstigtes Angebot fortzuführen. Danach wurde nochmals gefragt, ob man wirklich kündigen wolle um im Folgeschritt dann endlich tatsächlich gekündigt zu haben. Jeder Schritt musste individuell bestätigt werden. Zwischenzeitlich ist es deutlich einfacher. Dafür verfällt noch bestehendes Guthaben - dies war früher nicht der Fall und erzwingt nun auf andere Weise eine Bindung an den Service.

Dark Patterns in Spielen

Auch im Kontext von Computerspielen/Gaming, also im direkten Lebensumfeld vieler Jugendlicher und Kinder, finden sich viele Ansätze der mehr oder weniger offensichtlichen Beeinflussung. Erneut geht es hier um finanzielle Aspekte, aber auch darum, die Spielenden mittels verschiedener Tricks lange im Spielgeschehen zu halten, die Bildschirmzeit zu verlängern so wie die Bindung und Identifikation mit dem Spiel zu intensivieren - es entstehen Abhängigkeiten, die sich nicht zuletzt in den sozialen Strukturen der Kinder und Jugendlichen manifestieren: Wer bei beliebten Titeln nicht "am Ball bleibt" kann schon bald nicht mehr mitreden. Ein Kreislauf beginnt sich zu verselbständigen.

Eines der prominentesten Beispiel für Dark Patterns stammt aus dem Jahr 2022. EPIC Games musste, "nur" aufgrund manipulativer In-Game-Interface-Designs, eine Strafe von $245 bezahlen. Den Kindern war es möglich, ohne Zustimmung der Eltern und ohne jegliche Absicherung Käufe innerhalb des Spiels Fortnite zu tätigen, auf welche die minderjährigen Spielenden mittels Dark Patterns gezielt gelenkt wurden. Dies soll keine Kritik an dem Spiel an sich sein, jedoch aufzeigen, wie wichtig eine Sensiblisierung des Nachwuchses aufgrund fragwürdiger Geschftsgebaren ist. Mit aktuell ca. 230 Millionen aktiven Spielern 3 ist Fortnite übrigens auch nach Jahren an Platz 1 der beliebtesten Spiele mit einer entsprechend hohen Reichweite.

Wie auch das hier genannte Fortnite laufen viele Spiele, speziell Mobile Games auf Smartphones und Tablets, heutzutage als "Free-to-Play" oder "Games as a Service". Dabei werden die Spiele kostenlos oder sehr günstig angeboten, um die Einstiegshürde zu senken. Im Nachhinein aber entstehen weitere Kosten in Form von Abonnements, In-Game-Währungen (fiktive Währungen in Spielen, die meist durch echtes Geld erworben werden können) oder weiterer "In-App-Purchases". Dies sind kosmetische Gegestände, Spielbeschleunigungen oder andere Vorteile, die den Erfolg im Spiel beschleunigen sollen. Um Kaufanreize zu schaffen, wird hier ebenfalls häufig mit Dark Patterns gearbeitet um die Spielenden trickreich zur Geldbörse greifen zu lassen

Beispiele für Dark Patterns in Spielen

Viele der oberhalb genannten Dark Patterns finden sich auch in Spielen wieder und werden nicht nochmals beschrieben. Darunter:

  • Falsche Dringlichkeit

  • Confirmshaming

  • In den Warenkorb schmuggeln

  • Visuelle Interferenz

Darüber hinaus gibt es einige weitere Vorgehen, die speziell in Spielen zu finden sind:

Premium/In-Game-Währung (Premium Currency)

In-Game-Währung beschreibt eine fiktive Währung, mit der innerhalb eines Spiels Dinge gekauft werden können. Dies können zum Beispiel, je nach Spiel, Edelsteine, Feenstaub, Goldmünzen, etc. sein. Dies birgt eine Gefahr, denn so ensteht der Eindruck, dass es sich nicht um echtes Geld handelt.

Das Gegenteil ist der Fall. Denn nahezu allen dieser In-Game-Währungen ist gemein, dass sie mit echtem Geld erworben werden müssen. Dabei gibt es keinen einheitlichen Umrechnungskurs wie im realen Leben, sondern Vergünstigungen, je größer das Paket des virtuellen Geldes. Dies schafft Anreize, mehr auszugeben, da man ja im Verhältnis auch den größten Gegenwert enthält.

Abb. 7

Premium-Währung in Brawl Stars

Das aktuell sehr beliebte Spiel Brawl Stars verwendet Juwelen als In-Game-Währung. An dem Beispiel sind die Vergünstigungen für die großen Pakete gut zu erkennen. Das Topangebot ist, wer hätte es gedacht, zugleich auch das teuerste für schlanke 120€. (4)

Screenshot des Spiels Brawls Stars. Verschiedene Juwelen-Angebote im In-Game-Shop.

Weiterhin ist es eine perfide Masche, dass die Einkäufe im Spiel häufig einen kleinen Rest an Spielgeld übrig lassen, der jedoch nicht mehr verwendet werden kann. Also kaufe ich nochmals weitere Währung nach, damit nicht ein kleiner Rest ungenutzt bleibt. Ein Beispiel:

Ich kaufe für 5€ Echtgeld 25 Diamanten im Spiel. Für jeweils 10 Diamanten erhalte ich eine Loot Box (Geschenkebox mit zufälligen Inhalten, siehe auch weiter unten). Es bleiben 5 Diamanten über. Ich brauche 5 weitere für eine dritte Lootbox. Also kaufe ich mir nochmals ein Paket zu 5€.

Käufe im Spiel (In-Game-Purchases)

Insbesondere Free-to-Play Spiele sind darauf angewiesen, anderweitig Umsätze zu generieren. Zwei sehr gängige Praktiken sind dabei die Varianten "Pay to Skip" oder "Pay to Win". Im ersten Fall schmälern häufige Werbeeinblendungen das Spielerlebnis. Um die Werbung direkt ausblenden zu können oder garnicht erst anzeigen zu lassen, kann bezahlt werden. Auch andere verzögernde Spielelemente können damit übersprungen werden. Pay to Win verschafft dem Spielenden hingegen handfeste Vorteile gegenüber anderen Spielern, indem z.B. schnellere Spielfortschritte erzielt werden. Andere Spielende hingegen sind im Nachteil und neigen aus Frust dazu, ebenfalls für eine schnellere Progression zu bezahlen. Man kann das ein wenig wie Doping im Sport betrachten.

Abb. 8

In-App-Käufe in Harry Potter

Das Spiel mit der Ungeduld: Direkt nach der 5-minütigen Einführung wird den Spielenden angeboten, eine Katze als Begleiterin für 6€ (inkl. 50% Rabatt!) zu erwerben, anstatt noch einige Kapitel warten zu müssen und sie dann kostenlos zu erhalten. (5)

Screenshot aus dem Spiel Harry Potter. Eine Katze, daneben Einkaufsmöglichkeiten zum Erwerb des Tiers.

Loot Boxen

Loot Boxen sind Päckchen, Kisten, Schatztruhen etc. die innerhalb eines Spiels gekauft werden können und mit zufälligen darin befindlichen Gegenständen, das Spielerlebnis steigern oder auch Vorteile gegenüber anderen verschaffen können. Durch den Zufallsfaktor besteht ein großer Anreiz, mehr und mehr solcher Boxen zu kaufen um gewünschte, in der Regel sehr seltene, Gegenstände zu erhalten. Sie lassen sich mit klassischen Sammelkarten-Tütchen vergleichen. Bezahlt wird mit Echtgeld oder mit einer fiktiven In-Game-Währung (siehe oben).

Abb. 9

Beispiel Hearthstone

Analog zu klassischen analogen Sammelkartenspielen lassen sich in Blizzards Spiel Hearthstone virtuelle Kartentütchen kaufen, um seltene und/oder mächtige Karten zu erhalten. Was drin steckt, weiß man zuvor nicht. Der Weg hin zur erwünschten Karte kann teuer werden - oder sehr lang, wenn man sie sich erspielen möchte. In beiden Fällen profitiert der Hersteller: Geld des Kunden oder Zeit des Kunden. (6)

Screenshot aus dem Spiel Hearthstone. In-Game-Shop zum Kauf von Loot-Boxen, der ein Bündel von 4 Paketen zeigt.

Zeitliche Bindungen

Neben den zuvor genannten, monetär orientierten, Dark Patterns, ist es es den Publishern ebenfalls ein Anliegen, die Spielenden so oft und lange wie möglich am Bildschirm zu halten. Die Klaviatur hierfür ist enorm lang, zwei Beispiele:.

  • Tägliche Belohnungen (Daily Rewards): Für jeden Tag in Folge, den das Spiel gestartet wird, gibt es eine Belohnung, wie Premium-Währung, spezielle Ausrüstung, kosmetische Geschenke etc.

  • Grinding: Um im Spiel weiter zu kommen oder Premium-Währung zu erhalten, müssen bestimmte repetitive Aufgaben immer und immer wieder wiederholt werden (englisch: grinding). Beispielsweise Steine sammeln in einer Aufbausimulation, eine bestimmte Anzahl Gegner töten in einem Rollenspiel, etc.

Soziale Pyramide (Social Pyramid Scheme)

Manche Spiele fordern die Spielenden auf, Freunde einzuladen um dafür eine einmalige oder auch dauerhafte Belohnung zu erhalten. Was auf den ersten Blick symphatisch klingen mag, dient erneut in erster Linie dem Anbieter des Spiels.

Zum einen wird kostenlose Werbung gemacht, indem der aktive Spieler die Rolle eines Influencers übernimmt. Im Kontext der Medienwirkungsforschung spricht man hier auch von einem Meinungsführer (für Interessierte: Dieser Begriff geht auf den Wissenschaftler Paul Felix Lazarsfeld zurück. Link dazu in der Sammlung am Ende des Artikels). Zum anderen ensteht so eine weitere Bindung an das Spiel. Wenn ich nicht alleine spiele, sondern mit Freunden, erhöht sich das persönliche Interesse, viel Zeit mit dem Titel zu verbringen.

Der Pyramideneffekt entsteht letztlich dadurch, dass jede weitere angeworbene Freund:in weitere Freund:innen anwirbt. Kurz: Ein Schneeballprinzip bei dem es vor allem darum geht, neue Teilnehmer zu gewinnen.

Schutzmaßnahmen gegen Dark Patterns

Zum Schutz vor Dark Patterns werden in der bereits oberhalb erwähnten Studie vier verschiedene Ansätze genannt:7

  1. Sensibilisierung der Nutzer

  2. Druck auf Unternehmen ausüben

  3. Verabschiedung von Gesetzen

  4. Einführung technologischer Erkennungen

Im Folgenden möchte ich auf diese vier Punkte etwas näher eingehen.

Sensibilisierung der Nutzer

Das Ausbilden einer persönlichen Medienkompetenz hinsichtlich Dark Patterns ist in meinen Augen der wichtigste Ansatz, denn er ist unabhängig der anderen Faktoren und sensibilisiert zudem gleichermaßen für eine allgemein achtsame Mediennutzung.

Informative Medienkunde

Dies beinhaltet das Wissen um die Existenz von Dark Patterns so wie die Kenntniss um ihre verschiedenen Ausprägungen, wie sie in diesem Artikel aufgezeigt wurden. Wenn ich weiß, was mich auf einer Website erwarten kann, welche gängigen Tricks es gibt, die mich zu manipulieren versuchen, desto effektiver kann ich vermeiden, auf sie hereinzufallen.

Nutzungskompetenz

Das Wissen um Dark Patterns ist ein wichtiger Baustein. Ebenso wichtig ist es jedoch auch, sich aktiv nutzend damit auseinanderzusetzen. Konkret bedeutet dies, Websites bei deren Nutzung aufmerksam zu betrachten und somit ein Gefühl für mögliche Muster zu entwickeln:

  • Wo kann ich bei einem Cookie-Banner differenzierte Einstellungen vornehmen?

  • Wie ist der genaue Wortlaut einer Aufforderung/Fragestellung? Sind es irreführende Formulierungen? Aufmerksames Lesen hilft. Oftmals steckt der Teufel im Detail.

  • Befindet sich im Warenkorb wirklich nur das, was ich möchte? Keine automatisch hinzugefügte ungewollte Extras?

  • Ist ein zeitlich beworbenes Angebot tatsächlich eine temporäre Aktion, oder nur künstlich ausgeübter Druck? Gerade besonders große und prominente Countdowns sind häufig nur Fake. Tipp: Nach ein, zwei Tagen nochmals mit einem anderen Browser auf die Website schauen. Der Countdown wird, wie von Zauberhand, recht sicher wieder zurückgesetzt sein.

  • usw.

Grundsätzlich hilft es, nicht vorschnell auf Buttons zu klicken und sich nicht von Aufforderungen unter Druck setzen zu lassen. Lieber zweimal hinsehen um sich zu vergewissern, dass man selber entscheidet und nicht für einen entschieden wird.

Dark Patterns-Spiel

Eine im wahrsten Sinne des Wortes spielerische Variante, sich mit möglichen Designtricks auseinanderzusetzen ist das Dark-Patterns-Spiel der Verbraucherzentrale. Hier muss sich durch wildeste Formulierungen und trickreiche Irreführungen hindurchgeklickt werden, ohne sich manipulieren zu lassen. In diesem Fall ist ein Fehlklick harmlos. Den Link zum Spiel gibt es am Ende des Artikels.

Abb. 10

Dark-Patterns Spiel

Das kurzweilige Spiel der Verbraucherzentrale versucht einen auf zahlreiche Weisen mittels verschiedenster Dark Patterns in die Irre zu führen. Kommst Du fehlerfrei hindurch?

Screenshot aus dem Darkpatterns-Spiel der Verbraucherzentrale. Bild einer Katze auf einer Couch.

Kinder, Jugendliche und Seniore

Wer über wenig Erfahrung im Umgang mit Online-Plattformen verfügt, wird leichter ein Opfer der Dark Patterns. Dies betrifft gerade jüngere Mediennutzer, aber auch ältere Generationen, die erst spät im Laufe ihrer Vita mit dem Internet in Berührung gekommen sind. Hier ist begleitende Unterstützung gefragt. So sollten beispielsweise (neue) Computerspiele zu Beginn gemeinsam mit den Kindern entdeckt werden, um im konkreten Praxiseinsatz auf irreführende Werbung hinzuweisen oder auch die Folgen von In-App-Käufen thematisiert werden. Senioren kann beispielsweise begleitend die "Angst" vor tickenden Countern genommen werden oder auf die meist viel zu klein dargestellten individuellen Datenschutzoptionen in Cookiebannern hingewiesen werden.

Druck auf Unternehmen ausüben

Der zweite Ansatz zur zukünftigen Reduzierung von Dark Patterns besteht darin, die Unternehmen selbst zu bewegen, deren Einsatz zu überdenken. Grundsätzlich sollte es im ureigenen Interesse eines Anbieters sein, nach ethischen Maßstäben zu handeln, um damit eine mittel- und langfristig gute Kundenbeziehung aufzubauen, anstatt für einen kurzfristigen Erfolg auf dubiose Maßnahmen zu setzen. In der Praxis ist dies leider nicht der Fall.

Als Anwender stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

  1. Unternehmen und/oder Spiele meiden: Wer auf einer Website oder in einem Spiel landet, das sich offensichtlich und aufdringlich der Dark Patterns bedient, dem steht es frei diesen Anbieter zu boykottieren. Weniger Aufmerksamkeit bedeutet weniger Nutzerzahlen. Das wiederum bedeutet einen messbaren ökonomischen Verlust.

  2. Das Dark Pattern Detection Project (dapde): Dieses Projekt sammelt Informationen zu Online-Plattformen, die Dark Patterns verwenden, mit dem Ziel eine App zu entwickeln, die ähnlich eines Werbeblockers vor diesen Designmustern schützen soll.

  3. noyb (none of your business): Die von Max Schrems (österreichischer Jurist und Datenschutz-Aktivist) gegründete Organisation setzt sich insbesondere für die Durchsetzung der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) ein und reicht in diesem Kontext auch Beschwerden ein - so zum Beispiel im Jahr 2021 ganze 422 Stück aufgrund von Dark Patterns in Cookie Bannern.

  4. Hall of Shame: Auf der Website "Deceptive Patterns", der Projektseite von Dr. Harry Brignull selbst, gibt es eine Galerie von Dark Patterns verschiedenster Anbieter. Die Top 3: Google, Amazon und Facebook. Neben dem informativen Aspekt können auch hier Online-Plattformen gemeldet werden, damit sie in die Datenbank aufgenommen werden können.

Abb. 11

Hall of Shame

Auf der Projektseite von Harry Brignull lassen sich Negativ-Beispiele zu Dark Patterns einsehen und melden. (9)

Screenshot einer Website. Verschiedene Filteroptionen mit Checkboxen und beschreibende Texte zu den Suchtreffern.

Verabschiedung von Gesetzen

Um die Verbraucher:innen vor Dark Patterns zu schützen, gibt es weltweit verschiedenste Gesetzgebungen, an die sich Unternehmen zu halten haben und deren Missachtung juristisch belangt werden kann. In den letzten Jahren fand hier eine Ausdifferenzierung und Präzisierung statt, so dass inzwischen eine etwas einfachere Handhabung gegen Verstöße gegeben ist. Dennoch bleibt vieles eine nicht leicht zu bestimmende Grauzone.

Im folgenden eine Übersicht verschiedenster, Dark Patterns betreffender, Gesetzgebungen innerhalb des EU-Raums, ohne näher auf sie einzugehen.

  • Digital Services Act (DSA):

  • Data Act

  • Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

  • AI Act

Einführung technologischer Erkennungen

Zu den technologischen Möglichkeiten möchte ich gerne zwei verschiedene Beispiele knapp anführen, die allerdings erst in der Entwicklung sind. Die Umsetzung automatisierter Schutzmechanismen ist sowohl aus technischer Sicht, als auch aus Benuter-Perspektive eine komplexe Angelegenheit.

Dark Pattern Detection Project (Dapde)

Das Ziel des Projekts ist es, vereinfacht gesagt, zu erforschen wie Dark Patterns auf Websites automatisch erkannt und verschiedenen Typen zugeordnet werden können. Die Struktur von Websites wird mithilfe von KI untersucht und deren Ergebnisse mit vorhandenen Referenzbibliotheken abgeglichen. Die identifizierten Dark Patterns können abschließend verarbeitet und markiert werden. Dies kann beispielsweise in Form alternativer Darstellungen der kritischen Inhalte geschehen. Ebenso ist eine "Detection-App" in Planung, welche ähnlich eines Werbe-Blockers, vor manipulativen Inhalten schützen soll.10

Visuelle Gegenmaßnahmen

Ein recht ähnliches Konzept verfolgt die Studiengruppe um René Schäfer, Paul Preuschoff und Jan Borchers. In ihrer 2023 veröffentlichten Studie "Investigating Visual Countermeasures Against Dark Patterns in User Interfaces" gehen sie der Frage nach, wie Benutzer:innen von Websites visuell unterstützt werden können, um negative Folgen von Dark Patterns zu vermeiden. Hier nur eine ganz knappe Vorstellung des Projekts. Die gesamte, wirklich interessante, englischsprachige Studie findet sich in der Linksammlung am Ende des Artikels.

Neben der Sensibilisierung der Nutzer:innen, ist nach dieser Studie die automatische Erkennung von Dark Patterns ein entscheidender Faktor, welcher jedoch immer nur reaktiv sein kann. Zu schwierig sei es vorherzusagen, welche Muster zukünftig auf Websites zum Einsatz kommen. Der größte Erfolg automatischer Erkennung wird derzeit bei textbasierten Dark Patterns erzielt11, deren Inhalte sich leicht maschinell auslesen lassen.

Nach der erfolgreichen Erkennung der Pattern, sollen sie den Benutzer:innen anschließend in einer alternativen, klar erkennbaren Form, präsentiert werden. In der Studie wurden dazu sechs verschiedene Darstellungsvarianten erprobt, welche die Pattern entweder komplett entfernten, sie visuell zurückhaltender gestalteten oder aber prominente Markierungen setzten, um auf die schadhaften Elemente aufmerksam zu machen. Ergänzt wurden einige diese Varianten mit informativen Erklärungen.

Abb. 12

Visuelle Gegenmaßnahmen

Verschiedene optische Kennzeichnungen von Dark Patterns wurden in der Studie von Schäfer et. al erprobt. (12)

Diagramm mit der Darstellung verschiedener Buttons.

Zusammenfassend lassen sich folgende Erkenntnisse festhalten13:

  • Die Benutzer:innen möchten darüber informiert werden, warum bestimmte Inhalte als Dark Patterns markiert wurden.

  • Hervorgehobene Elemente mit Erklärung (in der Grafik HL+E) warfen einerseits Fragen bzgl. der Optik auf. So wurden Websites mit derartiger Markierung als überladen und teilweise als weniger vertrauenserweckend bzw. gefährlich eingestuft. Andererseits wurden die Erklärungen zu den Patterns positiv wahrgenommen.

  • Das Abblenden manipulativer Inhalte (in der Grafik: LL) wurde insgesamt gut angenommen.

  • Es besteht eine Notwendigkeit, dass die angebotenen Gegenmaßnahmen flexibel zu konfigurieren sind. Je nach Expertise des Anwenders benötigt es unterschiedliche Unterstützungsgrade.

  • Das Vertrauen in die automatisierten Gegenmaßnahmen muss gegeben sein. Speziell wenn es zu radikaleren Eingriffen wie dem kompletten Ausblenden von Inhalten kommt.

Rechtliches zu Dark Patterns

Eine besondere Bedeutung hinsichtlich zukünftiger Rechtssprechungen begründet sich in Artikel 25 des Digital Service Act (DSA), welcher am 17. Februar 2024 auf EU-Ebene in Kraft getreten ist. Unter dem Titel "Gestaltung und Organisation der Online-Schnittstelle" wird explizit auf das Gestalten mit manipulativen Elementen eingegangen:

Anbieter von Online-Plattformen dürfen ihre Online-Schnittstellen nicht so konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden

buzer.de 2024

Ich möchte im Weiteren nicht detaillierter auf die Rechts-Thematik eingehen. Dazu fühle ich mich selber nur mit solidem Halbwissen ausgestattet. Ich verweise jedoch in der nachstehenden Linksammlung auf einen guten Artikel der Rechtsanwälte Härting, der bei Interesse weiterführende Informationen bereithält.

Weiterführende Links

Quellenangaben

Querverweise

  • (1) Bogenstahl 2019: S.4

  • (2) vgl. FTC Bureau aof Consumer Protection 2022

  • (3) Ahdikari 2024

  • (4) Supercell Oy (2024)

  • (5) Jam City, Inc. (2024)

  • (6) Blizzard Entertainment, Inc. (2024)

  • (7) vgl. Schäfer et. al 2023, S.1

  • (8) verbraucherzentrale 2024

  • (9) Deceptive Patterns 2024

  • (10) vgl. dapde 2024

  • (11) vgl. Hausner/Gertz 2021

  • (12) Eigene Darstellung nach Schäfer et. al 2023:6

  • (13) vgl. Schäfer et. al 2023:9

  • (14) buzer.de 2024

Literaturangaben

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